Die Südküste Portugals und Spaniens, von der immer wieder Orca-Angriffe berichtet wurden, haben wir hinter uns gelassen. Es ist eine Nachtpassage, Cabo de Trafalgar liegt querab, Kurs 110° liegt an. Wir halten Ausschau nach dem Leuchtturm von Tarifa. Es dauerte noch, dann aber sehen wir am Horizont den Lichterschein, der uns Richtung Straße von Gibraltar leitet, die wir am Morgen erreichen werden. Spätestens jetzt gilt es sich auf einen spannenden Abschnitt unserer Reise vorzubereiten.
Schon bei der Planung haben wir uns über die Besonderheiten der Straße von Gibraltar genau erkundigt. Wie verhalten sich die Strömungen, wann treten sie ein, wo ist die beste Route zu legen. Nun kommt aber die Realität auf uns zu. Die Strömung zum Zeitpunkt der Passage unterstützt uns und auch der Wind aus Südwest passt. Zuletzt blies der Wind mit über 20 kn aus Ost, was unser Vorhaben erheblich erschwert hätte.
Tarifa liegt querab und der Felsen von Gibraltar wird neben der aufgehenden Sonne sichtbar. Der markante Felsen hat eine faszinierende Aura. Zusammen mit dem Berg Sidi Musa an der Spitze Marokkos bildet er die Säulen des Herkules. Westlich dieser berühmten Schifffahrtslücke liegt der rastlose Atlantik, den wir nun verlassen und das Alborán-Meer, den westlichsten Teil des Mittelmeers ansteuern.
Die Herausforderung für die Schifffahrt, die die Straße von Gibraltar mit sich bringt, ist vor allem gekennzeichnet durch viele Elemente, die zur Komplexität der Gezeiten und Strömungen in dieser engen Passage beitragen. Hauptursachen für die Strömungen sind die normalen Gezeiten, die schnelle Verdunstung von Wasser im Mittelmeer, die durch den Zufluss von Wasser aus Flüssen und Regen nicht ausgeglichen wird und die Schichten des Meerwassers, die jeweils eine andere Dichte und einen anderen Salzgehalt aufweisen. Daraus ergeben sich Strömungen von ungefähr 3 Knoten in Richtung W und ungefähr 4-7 Knoten in Richtung E. Die Strömungen unterscheiden sich im zentralen Hauptstrom und den zwei Neerströmen, die vor der spanischen bzw. marokkanischen Küste verlaufen. Durch die Düsenwirkung kommt es auch zu starken Winden.
Hohe Aufmerksamkeit fordert auch der rege Schiffsverkehr. Der Hafen Algeciras liegt in der Bucht von Gibraltar und ist die Nummer 6 der europäischen Häfen mit einem Containerumschlagkapazität von 5,1 Millionen TEU (Twenty-foot Equivalent Unit). Aber nicht nur die aus- und einlaufenden Frachter sind genau zu beobachten. Entlang der Küste liegen immer wieder Schiffe, die auf ihre Entladung warten. Zuerst am AIS als „Unter Anker“, können sich diese sich schnell einmal in Bewegung setzen. Entsprechende Vorsicht und genaue Beobachtung des Geschehens ist Gebot der Stunde.
Die detaillierte Vorbereitung und laufende Beachtung des Umfelds und der Instrumente bringen uns sicher durch diesen Streckenabschnitt.
Wenn man einen Hafen in Gibraltar anläuft, empfiehlt sich ein Ausflug auf den Felsen von Gibraltar. Neben der beeindruckenden Aussicht garantieren die berühmten Affen ein besonderes Erlebnis.
Eine Empfehlung zum Schluss: Im Rahmen der RYA Yachtmasterausbildung im YCA wird man auf solche Routen und Herausforderungen bestens vorbereitet. Nächster Lehrgang startet Mitte November.