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tides & streams #4 Nordsee

in Crew Oberösterreich

„Ich würde gerne einmal bei richtig schwerem Wetter segeln, nicht so wie in der Adria: viel Sonnenschein, herrliche Buchten, baden und Wind zwischen 1 und 4!

Nein wirklich, es muss einmal zur Sache gehen, mit Strom, Gezeitennavigation, mit nordischen Tiefs etc. …

Was ist, würdest du bei so einer Sache mitmachen?“

 

Nordsee – Schwerwetter & Strömungen
Oder: Was tut ein Adria-Segler in der Nordsee?

Jedem, dem ich diese Frage stellte, schrie auf: „Spinnst du jetzt komplett, du bist ja pervers, was tust du im April da oben in der Nordsee……“

Und so kam ich mit meiner Idee alleine an, alle Segelfreunde, die ich kontaktierte, gaben mir klare und unmissverständliche Absagen.

Dabei wollte ich seglerisch meinen Horizont erweitern. Denn das ist ja auch ein Grundprinzip beim Segeln: Was da im Leben so alles in der Kimm auftaucht …..

Und einmal wieder als einfaches Crewmitglied ohne Verantwortung unterwegs sein. Das war ein weiterer Aspekt.

Also buchte ich kurzerhand ein Koje auf einer Swan 47, Liegeplatz Cuxhaven  – die 2. Aprilwoche war noch frei, und ab ging’s zum Schwerwettertörn in die Nordsee.

Ich sitze im Cockpit, meine Füße fühlen sich eiskalt an, wir haben West 7 Bft, als Etappenziel liegt Helgoland an. Der Strom setzt hier mit 3 Knoten nach Ost, das Fahrwasser der Elbe haben wir bei Tonne 4 verlassen.

Es ist schweinekalt, ich habe vor dem Auslaufen einfach zu wenig angezogen. Wir liegen voll auf der Kreuz, vorhin haben wir die Segel gewechselt, von der Genua II zur Fock, da ist mir etwas warm geworden.

Ich denke an einen Segelfreund, der seine Segelstiefel seit Jahren nicht mehr einpackt, weil er sie tatsächlich noch nie wirklich brauchte.

Hier in der Deutschen Bucht im April kommst du den ganzen Tag nicht aus dem Ölzeug heraus.

Ich habe die Kälte total unterschätzt. Die Stiefel halten zwar die Nässe ab, aber die Kälte kriecht durch die Sohlen und übers Kondenswasser werden die Socken auch noch dazu feucht, brrrr. Jetzt geben auch die Handschuhe nach – die Neopren - Dinger schauen zwar gut aus, nützen aber relativ wenig gegen die Kälte.

Eine Wende – der Strom schiebt uns Richtung „Großer Vogelsand“. Erstmals erlebe ich die Sinnhaftigkeit eines Stromdreiecks. Natürlich habe ich das im Zuge der Ausbildung gelernt, auch bei der Kartenarbeit anlässlich der Theorieprüfung zufrieden stellend gelöst, seitdem war mir der Strom aber herzlich „wurscht“. Jetzt sehe ich mit eigenen Augen, wie das Wasser gurgelt, wie sich die Tonnen schräg legen.

Die Sicht nimmt ab, es beginnt zu nieseln, eigenartigerweise ist das überhaupt kein Problem, irgendwie habe ich den Eindruck, das gehört einfach dazu. Es wird grau in grau, die Sicht ist für mich gleich null – Der Skipper springt auf, deutet in diese undifferenzierbare Nebelsuppe und sagt, da vorne sei Helgoland. Auch wenn ich mich noch so bemühe, ich kann nichts erkennen. Eine halbe Stunde später tauchen dann die Umrisse des roten Felsens auf.

Zu viert sind wir auf der „Papillon“ von Logemann-Yachting mit Jens als Skipper aus Hamburg und 3 „Alpensegler“: Gert aus Kärnten, Rudi aus St. Moritz und ich aus Oberösterreich – eine feine Mischung, und alle wollen das Gleiche: Segeln, was das Zeug hält!

Auf der Swan 47 werden alle Segel separat gesetzt. Es gibt keine Rollgenua, kein Rollgroß, ich glaube sogar, Jens würde sich tatsächlich genieren mit diesen für Adria - Charterer so unentbehrlichen Einrichtungen. Im Laufe des Törns setzen wir das ganze Programm: Fock, Genua I bis III, und Spinakker.

Ja, die Geschichte mit dem Spi: Segeln unter Spi ist eine Wahnsinnssache, leider findet man ihn auf Charteryachten immer seltener. Spätestens bei 15, 17 Knoten Wind habe ich das „Plasticksackerl“ immer geborgen. Jens hat den Spi bei 4 Bft erst ausgepackt – Hut ab, da kannst du was lernen!

Apropos Lernen: Zum Programm gehört auch dazu, dass wir uns einen ganzen Tag Zeit für alle möglichen Hafenmanöver nehmen, für Wenden, Halsen, für die Techniken beim Segelsetzen. Und natürlich für Mann über Bord Manöver. Und hier allen Segellehrern ins Stammbuch geschrieben: Vergesst die sechs Bootslängen auf Halbwind und die Aufschiesser, konzentriert euch aufs „Münchner Manöver“ oder auch „Quick-Stop“ genannt. Das geht aus allen Segelstellungen heraus. Und noch ein Aspekt dabei: Die Nordsee hat im April so um die 6° Celsius. Man hat also im Falle der Fälle wirklich nur ein paar Minuten Zeit für eine effiziente Rettungsaktion.

Eine Anmerkung zum Thema Sicherheit: An Bord hatten wir alle Sicherheitswesten mit Automatikauslöser. Hier könnten sich die Charterveranstalter in der Adria was abschauen und ihre Yachten entsprechend ausrüsten, denn die Feststoff-Rettungswesten sind ja wirklich unhandlich!

Wer jetzt aber glaubt, die Nordsee besteht im April nur aus Regen, Sturm und Null Sicht, den muss ich enttäuschen. Auf der Fahrt nach Sylt habe ich mir tatsächlich gewaltig Farbe aufgerissen. Hätte ich nicht vorsorglich Sonnenschutzfaktor 20 aufgelegt, wäre ich mit einem Sonnenbrand nach Hause gefahren.

Die Bedingungen sind ja total unterschiedlich. Mal regnet es, nach 20 Minuten reißt die Wolkendecke auf, es wird hell, die Sonne kommt durch, blauer Himmel. Eine Stunde später wird’s diesig, in der Kimm zieht eine dunkle Wolke auf, die ersten Böen fallen ein, und schon kachelt es.

Beeindruckern ist die Gelassenheit des Skippers, die Ruhe mit der er auf die jeweilige Situation reagiert. „Ach das bisschen Regen, wir sind ja gut ausgerüstet, ja das Schiff verträgt schon ein Menge Wind!“

Die Navigation hat’s in sich. Jede Tagesroute wird immer wieder berechnet. Wann ist Hochwasser, wann Niedrigwasser, Springzeit, Nippzeit, ab- oder auflaufender Strom, in welche Richtung versetzt uns der Strom, wann kippt er, wann müssen wir im Hafen sein, wo ist die Ansteuerungstonne, ja nicht das Fahrwasser verlassen.

Fad ist uns die ganze Woche über die Beantwortung dieser Fragen nicht geworden.

Jens erzählt uns von seinen Segelprojekten dieses Jahr. Zuerst noch einen Schwerwettertörn, dann „Skagen Rund“ und dann noch zwei Wochen Ostsee. Er ist in diesen Revieren groß geworden, segelt seit er denken kann, zuerst mit den Eltern, dann als Jugendlicher mit seinen Freunden, jetzt finanziert er als Profiskipper sein Studium.

Bei „Skagen Rund“ werde ich hellhörig, was heißt das genau? Nun, und dann setzt er mir meinen neuen Floh ins Ohr: Cuxhaven – Sylt – rauf zum Limskifjord – Skagen –rüber nach Schweden durch die Schären nach Göteborg – runter nach Kiel und durch den Nord-Ostsee-Kanal zurück nach Cuxhaven.

Und damit bin ich wieder am Beginn meiner Geschichte angelangt: Na, wie wär’s, segelst du mit? Auf unserer Homepage unter „Segeln Spezial“ findest du genau das Richtige!

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