Die Sicht versperrt, der Regen anhaltend, der Wind peitscht ins Gesicht, die Kleidung durchtränkt und am Ende bis auf die Unterwäsche klitschnass. Hier in Schottland gilt es, das Land mit seinen Ecken und Kanten zu erleben und wer sich draußen aufhält, der lebt mit dem Wetter.
Da sind wir segelnde Österreicher nun - Mitte August, in Schottland, auf einem speziellen YCA-Clubtörn, bei dem man bei Stürmen und tückischen Wellen aufpassen muss, dass die Gewalt der Natur einem nicht das Whiskyglas aus der Hand reißt.
Na dann, slàinte mhath!
Ausgangspunkt ist die Fährstadt Oban, dem Tor zu den Hebriden, bekannt für eine der ältesten Destillerien und einem ganz besonderen Wahrzeichen im Stil der Antike: ein römisches Kolosseum.
John Stuart McCaig, ein Banker, liebte römische Architektur und lies Mitte des 19. Jahrhunderts in seiner erwählten Heimatstadt eine Art Denkmal bzw. Festung in Form eines kleinen Kolosseum erbauen. Damals eine Torheit für die Stadtbürger gilt der McCaigs Tower heute als Wahrzeichen Obans und ist neben der Whiskybrennerei sicher die wichtigste Attraktion.
Ein Hauch von Rom in den schottischen Highlands.
Wer hätte das gedacht – Segeln bildet eben!
Da wir ja nicht mit der Fähre weiterreisen, sondern auf eigenem Kiel, geht es mit dem Taxi zur Dunstaffnage Marina Oban, wo wir auf den Rest der Crews der insgesamt drei Segelboote treffen. Ein erstes Hallo und Willkommen unter den Skippern und YCA-Mitgliedern.
Wir beziehen unser zeitlich limitiertes Zuhause Highland Sealord (Westerly Sealord 40, Baujahr 1986), Chantilly (Sun Odyssey 43, Baujahr 2004) sowie Miss Victoria (Sun Odyssey 409, Baujahr 2012), unsere drei Segelyachten, mit denen wir uns zum Ziel gesetzt haben, immer den Whiskydestillerien nach zu segeln.
Früh geht es los, denn wir haben viel vor.
Versorgt mit allem, was wir benötigen, verlassen wir also das schottische Festland und tauchen über die Firth of Lorn-Wasserstraße Richtung Süden in die Inneren Hebriden ein. Wenn der Morgen bereits etwas trüb war, so blinzelt nun kurzfristig ein klein wenig die Sonne durch die Wolkenschicht und eine sanfte Brise weht.
Mit Sicht auf die sagenhafte Landschaft, überwältigt vom Grün der saftigen Wiesen, und mehr Schafen als Sterne blicken wir auf eine wilde, rauhe und menschenleere Landschaft, die uns verzaubert.
Natur pur, Schönheit pur, Einsamkeit pur. Tiefenentspannt und erholsam!
Auf dem Weg zum ersten Tagesziel – Crinan – gibt es auch schon ein weiteres Highlight: wir wagen uns zur berühmt-berüchtigten Straße von Corryvreckan zwischen Jura und Scarba vor. Berühmt-berüchtigt deswegen, da der Corryvreckan nach den Lofoten (Moskenstraumen und Saltstraumen) und Kanada (Old Sow) zu den stärksten Wasserstrudeln weltweit zählt. Bei uns ist er aber ganz sanft.
Angekommen beim Crinan Canal machen wir nach der ersten Schleuse im Crinan Basin fest, erkunden die liebliche Umgebung bei strahlendem Sonnenschein und genießen ein herrliches Abendessen in der Crinan Seafood Bar.
Schaut die Welt schon wieder ganz anders aus, denn es schüttet wie aus Schaffeln.
Alles grau, alles triest und alles nebelig-mystisch.
Aber zum schottischen Seglerleben gehört dieses Wetter dazu, und im Speziellen der schottische Regen.
Und wie hieß es schon in der Ausschreibung: schön schippern kann man anderswo – in Schottland segeln die Hartgesottenen!
Da hilft kein Jammern, da hilft kein Fluchen - Augen zu und durch die Regenfront – der ultimative Hardcore-Ölzeug-Dauertest möge beginnen!
Während in den bevorstehenden sechs Stunden Durchquerung des Crinan Canals bei anhaltendem Dauerregen sich also die sechs Segler an Bord der Highland Sealord abwechselnd mit dem Schleusen an Bord und an Land beschäftigen, kümmere ich mich als einzige Seglerin an Bord um die Abstandssicherung der beiden Boote Highland Sealord und Chantilly in den Schleusen, um die Backbord-Heckleine und stehe zwischen den 14 Schleusen im Mittelcockpit am Steuerrad, um den Jungs an Bord ein wenig Pause zu gönnen.
Nach der letzten Schleuse führt unsere Route weiter nach East Tarbert, wo wir abends wieder an Land im Starfish Tarbert Restaurant genussvoll Fisch essen gehen. Den haben wir uns wahrlich verdient.
Wait 15 minutes and the weather will change – das Motto des heutigen Tages, denn auf dem Weg von East Tarbert nach Campbeltown hängen zwar die dunklen Wolken sehr tief, aber mit einem schönen Kreuzkurs geht es beinahe regenfrei recht gut dahin.
Ich wage mich also – mit wieder beinahe trockenem Ölzeug - ans Steuerrad ins Mittelcockpit und versuche mangels Autopilot aus der „Old-Westerly-Lady“ das Beste herauszuholen.
Angekommen in Campbeltown – oh Wunder – blendet uns beinahe dieses große hell erleuchtete Ding am Himmel und die ohnehin gute Stimmung steigt gleich noch viel mehr, denn immerhin ist es ja Mitte August, also doch Hochsommer!
Wie bereits gewohnt, verzichten wir aufs Kochen an Bord und genießen die schottische Küche im Hotelrestaurant Ardshiel.
Wir segeln auf unserer längsten Tagesroute mit über 50 Seemeilen von Campbeltown, an Sanda Island und der Mull of Kintyre vorbei, rüber zur Insel Islay, auf DIE Whisky-Insel mit gleich acht Destillen (Caol Ila, Bunahabbian, Ardbeg, Lagavulin, Laphroaig, Bowmore, Bruichladdich und Kilchoman). Hier gibt es Torf im Überfluss, dem der Single Malt Whisky seinen unverwechselbaren Duft und Geschmack verdankt. Bösartige Zungen meinen ja, so manche Islay-Whiskysorten schmecken nach Asphalt.
Mein persönlicher Whisky-Favorit ist übrigens der sanfte Jura Origin Single Malt Scotch Whisky - aged 10 years.
Da wir aufgrund der Tiden-Strömung an der Südhuk diese Tagesroute sehr zeitig in der Früh bzw. vor Morgenanbruch begonnen haben, kommen wir auch gegen Mittag in Port Ellen an.
Am Nachmittag steht dann der Besuch der Whisky-Destillery Laphroaig auf dem Programm. Die geführte Tour durch die Destillery Laphroaig ist mit £10 (inkl. 3 Kostproben) fast geschenkt, vermutlich, damit wir noch Geld übrig haben für das sündhaft teure Gesöff im Shop. Aber schließlich müssen wir ja auch für das Überleben der Distilleries sorgen.
Und wer bisher aus Erzählungen nur das Ungeheuer Nessie kennt, dem sei eine Taxifahrt von Port Ellen nach Laphroaig und retour empfohlen. Carol alias Black Mamba lehrt Einem ebenso 100%ig das Fürchten.
Ein obligatorisches, sehr schmackhaftes Abendessen im The Islay Hotel stimmt die Crew der Highland Sealord aber wieder friedlich.
Wir sind bereits auf dem Rückweg Richtung Oban und werden auf den heutigen knappen 45 Seemeilen zwar wieder von einer dicken, dunklen Wolkendecke verfolgt, freuen uns aber besonders über einen herrlichen Raumwindkurs, der allerdings durch die Wellenbewegung einer unserer drei Seglerinnen heftige Seekrankheit auf der Miss Victoria bescherte.
Durch das Loch Craignish erreichen wir unser heutiges Tagesziel Ardfern, wo wir zwar wieder mal bei strömenden Regen anlegen, aber wenigstens stilecht im The Lord Of The Isles wieder vorzüglich auswärts speisen.
Mit einem kurzen Abstecher zu einem wieder sehr ruhigen Corryvreckan-Strudel geht es über die Cuan Schlucht – mit Sichtung von Seehunden – und über den Sound of Kerrera und über Oban zurück zur Dunstaffnage Marina, wo wir am Nachmittag gut, aber – uns schon bestens bekannt - bei strömenden Regen ankommen.
Mit dem Taxi fahren wir nach Oban, um der Whisky-Destillery und der Hafenstadt einen letzten Besuch abzustatten und Souvenirs einzukaufen.
Zurück an Bord packen wir unsere mehr oder weniger noch immer nassen Sachen und lassen im Anschluss unsere beiden Geburtstagskinder – Hubert und Gottfried – gemeinsam an Bord der Miss Victoria mit zwei Linzertorten und den Restbeständen an Kaffee, Saft und Whisky hochleben.
Die Kabinen- ähm Geburtstagsparty steigt mit 19 SeglerInnen auf der 40iger Sun Odyssee Miss Victoria, die sicher selten so überbelegt war.
Das letzte gemeinsame Abendessen im The Wide Mouthed Frog, das letzte Bier des Segeltörns, der letzte Trinkspruch: „Ein Hoch auf Schottland!“ Mar sin leat (Ciao auf Gaelisch)!
Segeln bildet eben!