Ostsee?
Da ist es doch kalt? Und flach?
Kann man dort überhaupt ordentlich segeln?
Und was oder wer ist ein Hühnergott?
Jaaaa, kann man, und wie … der YCA-Clubtörn 2016 führte insgesamt 42 SeglerInnen auf die Spuren der alten Hanse-Route.
So segelte tagsüber eine stolze Österreich-Flotte mit sechs Schiffen (von der gemütlichen Bavaria Cruiser 40 bis hin zur flotten Jeanneau 53) bei warmen-sonnigen bis regnerischem-kalten Wetter mit mehr oder weniger Wind in der Ostsee auf der Route Rostock (Warnemünde) – Wismar – Travemünde – Neustadt in Holstein - Fehmarn (Burgstaaken) – Kühlungsborn – Rostock (Warnemünde).
Anders als beim Clubtörn 2015 in Norwegen, wo wir (Harald und ich) die Crew für ein eigenes Schiff zusammen hatten, war dieses Mal unser Skipper Christian Schifter, der Commander des YCA’s, den wir bisher nur „vom Hören und Sagen“ und vielbeschäftigt von der Boot Tulln her kannten. Segeln waren wir jedoch noch nie mit ihm.
Durch meine Kreuzfahrten (jaaa, ich tummle mich auch auf den großen Ozeanriesen herum) kannte ich bereits einige Einheimische vor Ort, die ich vorab von unserem Besuch informierte und die sich auch sehr gerne die Zeit nahmen, als Reiseleiter zur Verfügung zu stehen. So erfuhr unsere Crew in Warnemünde von Ulrich, in Wismar von Henrik und in Travemünde von Christiane vieles, was selbst ich bisher noch nicht wusste. Die Bedeutung des Hühnergottes zum Beispiel.
Ach, die Vorfreude auf ein Wiedersehen der Ostsee war groß, da ich im Zuge von zwei Kreuzfahrten bereits zwei Mal in Warnemünde sowie einmal in Wismar und Travemünde war. Aber dieses Mal unter Segeln war schon etwas ganz Besonderes – zumindest für mich. Und aufgrund der kurzen Schläge blieb ja etwas mehr Zeit fürs Kulturelle und Kulinarische an Land. Und davon gibt es in der Ostsee auch reichlich!
Also starteten wir gemeinsam mit Christian, seiner Frau Ingrid, Bernhard, Robert, Fritz, Reinhold und Christine in eine sehr harmonische, lustige und spannende Segelwoche mit vielen Highlights, wie zB den Leuchtturm von Warnemünde, den Teepott, am „Alten Strom“ inklusive der Vörreeg und Achterreeg, Hühnergötter (alles Warnemünde), den Besuch der Originalschauplätze von SOKO Wismar und Nosferatu, dem Wismarer Marktplatz mit der Wasserkunst, dem backsteingotischen Bürgerhaus Alter Schwede, den Turm der zum Teil zerstörten Kirche St. Marien (alles Wismar), den Besuch des U-Bootes U11 und des Seenotrettungsmuseums mit dem ehemaligen Seenotkreuzers Arwed Emminghaus (alles Burgstaaken), um nur einige zu erwähnen.
Auch der Viermastbark „Passat“, die neununddreißigmal Kap Hoorn umsegelte und zweimal die Welt umrundete, statten wir einen Besuch am Priwall ab.
Die Passat hat drei Veranstaltungsräume, 98 Kojen (darunter auch eine Suite) und ein Standesamt und zählte einst zu den legendären Flying-P-Linern der Hamburger Reederei Laeisz. Sie ist das Schwesterschiff des vor Manhattan liegenden Museumsschiffs Peking und verwandt mit der im Atlantik gesunkenen Pamir. Zu den P-Linern gehört auch die Kruzenshtern, die früher Padua hieß, und Travemünde als aktives russisches Segelschulschiff im Rahmen der Baltic-Sail regelmäßig besucht.
Aufgrund von Regen fiel leider die wunderschöne Hanse- und UNESCO-Welterbestadt Lübeck, die bekannt u.a. für ihr Lübecker Marzipan (Niederegger), für das Holstentor, die Speicherstadt, das Rathaus, den sieben Kirchtürmen und das Buddenbrookhaus, um nur einige Sehenswürdigkeiten zu nennen, zum Opfer.
Ebenso ließen wir die Fehmarnsundbrücke Brücke auf dem Kurs nach Heiligenhafen aus, da unsere Jeanneau 53 einen etwas zu hohen Mast hatte und uns der Weg rund um Fehmarn zu weit war.
Als kulinarische Highlights müssen wir die Alte Vogtei in Travemünde hervorheben, wo wir das beste Service bei Speis und Trank genossen, in Wismar kam selbstgebrautes Bier im Brauhaus am Lohberg auf den Tisch, ebenso im Klüvers Brauhaus in Neustadt in Holstein, wo ich erstmalig über meinen (Bier)Schatten sprang und naturtrübes Radler mit Bananensaft (?!) kostete. Über das damalige Fußballspiel Österreich:Ungarn mit ganzen 9 Zuschauern vor dem TV-Gerät wollen wir jedoch lieber nicht reden.
In Kühlungsborn erschauderten wir bei einer Begegnung mit einem ehemaligen DDR-Kellner der besonderen Art, in Burgstaaken lernten wir im Lotsenhus die unflexibelste Bedienung, aber bei besten Fischgerichten (Matjes zB) kennen. In Kühlungsborn überraschte uns eine mucksmäuschenstille Fangemeinschaft der deutschen Fußballmannschaft und in Warnemünde war die Speisekarte in der Wenzel Prager Bierstube deutlich österreichisch-wienerisch als fischlastig, was die anderen 41 Teilnehmer des Clubtörns 2016 am letzten Abend ausgiebig testeten.
Fazit: die Ostsee ist IMMER einen Besuch wert – egal, ob als segelnder Kreuzfahrer am Wasser oder als kulturbegeisterter Kulinariker an Land.
Rotina Mihai
PS und zur Aufklärung: der Hühnergott ist ein Meeresstein mit einem kleinen Loch, den man mit einem Faden an die Hühnerstange gebunden hat, damit das Federvieh zu verbesserter Legetätigkeit anspornen sollte. Später kam der Glaube hinzu, ein Hühnergott bringe auch den Menschen Glück. Es ist also ein Glücksbringer von/aus der Ostsee, der gerne als Mitbringsel, Schmuck oder für Dekorationszwecke gesammelt wird.